In vielen meiner Skulpturen versuche ich dem Geheimnis des Inneren auf die Spur zu kommen. Die Körper meiner Figuren sind durch Hohlräume gekennzeichnet, die ich mit verschiedenen Dingen bestücke: einem Dämon, einem Vogelnest, Sternen oder Organen (die einem aber nicht gehören).

Sack Sterne, 2020
Sackleinen, Stoff, Metall, 117 x 84 x 72 cm


In meinem Leben als Städterin spielt der Sternenhimmel kaum eine Rolle. Die nächtlichen Lichter der Stadt überstrahlen die Sterne und auch der Mond ist meist hinter den Gebäuden verborgen. Deshalb ist es schwierig eine Beziehung zum Universum aufrechtzuerhalten. Das, was früher ganz natürlich war, ist heute zu etwas Außergewöhnlichem geworden.

Sack Sterne – eine überlebensgroße Figur hockt am Boden. Der Rumpf zeigt sich als einfacher, nach oben offener Sack. Das Innere ist mit dunkelblauem Stoff ausgekleidet, der mit einem Muster aus Sternen und Galaxien bedruckt ist.

An seinem Rand sind vorne und seitlich die langen Beine und Arme angenäht. Sie münden in großen Füßen und Händen, die flach auf dem Boden aufliegen. Der große Kopf ist leicht nach vorne geneigt, die Augen blicken nach unten in den offenen Sack.

Empfindliche Gegenseitigkeit, 2019
variable Größe

Zwei Figuren – übereinander, eine dritte Figur sitzt am Rand. Die Figuren sind kindergroß.

Die Figuren sind in ihrer Körpermitte hohl. Durch die Hohlräume der Figuren reicht eine lange Kette aus leuchtend roten Beuteln, die an Organe erinnern. Die Kette reicht von der Decke bis auf den Boden und quillt unter der am Boden liegenden Figur hervor.

Ein Licht fällt auf die Figurengruppe und wirft den Schatten der Organe an die Wand. Der Schatten berührt die am Rand sitzende Figur, die Hohlformen der Organkette setzt sich im Körper fort.


Frau, 2017-18
Papiermaché, Reispapier, Wellpappe,
165 x 57 x 29 cm

Eine Frauenbüste, die von einem Mantel umhüllt ist, der die Vordersseite freilässt. Der Kopf der Frau ist leicht geneigt, die Augen geschlossen. Die Haare sind zu zwei Zöpfen geflochten. Die Zöpfe hängen durch die Schulter in den dunklen Innenraum, den die Büste formt. Die Haltung ihrer Arme mit den ineinander gelegten Händen schliessen die Form.

Im Innenraum der Büste befindet sich ein Gesicht. Im Gegensatz zum in sich gekehrten Gesicht der Frau, ist dieses Gesicht voller Expressivität. Die Augen sind aufgerissen, die Nasenflügel gebläht, der Mund offen, die Zähne gebleckt und die Zunge herausgestreckt. Den Kopf umgeben Stacheln und die Zöpfe der Frau münden wie Hörner im wilden Kopf.


Faking Good Faith, 2015-2016
Papiermache, Leim, Holz, Ketten,
62 x 48 x 103 cm

Faking Good Faith besteht aus einem Oberkörper ohne Unterleib, der an Kopf, Rücken und Armen an der Decke aufgehängt ist.

Anders als in meinen anderen Figuren, besteht bei dieser Skulptur die Möglichkeit von Bewegung. Sie ist an Ketten aufgehängt und kann bei Berührung leicht mit dem Kopf nicken oder mit den Armen schwingen.

Der Titel Faking Good Faith weist auf die Frage nach der Bestimmbarkeit des Schicksals hin. Gehen wir mit Bestimmung eine Richtung ein, erhöhen wir die Chance diese zu erreichen. Das Gesicht der Skulptur ist geöffnet, die Zunge wie eine Plattform ausgefahren, auf der das „gute“ Schicksal landen kann. Die Hände sind geöffnet um, was auch immer kommen mag, zu ergreifen.


Bedingtheit, 2013 – 2014
Koreapapier, Leim, Stoff, Metall,
97 x 106 x 148 cm

Bedingtheit ist aus einer Tanzübung entstanden. In dieser Übung wird der Tanzpartner sitzend im Arm gehalten, während er sich fest halten läßt oder in Bewegungen ausdehnen kann. Der Haltende reagiert auf denjenigen, den er hält, jeweils mit Freigabe oder Fest-
halten. Mich hat diese Übung sehr beschäftigt, sie ist trotz ihrer Einfachheit sehr komplex und läßt sich auf verschiedene Formen des menschlichen Umgangs miteinander übertragen.

Der Körper des Gehaltenen ist aus weißem Koreapapier nach einem männlichen Modell gefertigt.

Die Bezugnahme der beiden Figuren aufeinander erinnert an Pieta-Skulpturen. Die Puppenfigur greift mit ihrem rechten Arm durch den Körper des Gehaltenen hindurch. Eine Durchdringung entsteht.

Refuge in Ambiguity, 2013
Koreapapier, Leim, Aquarellfarbe
2 Teile, jedes 38 x 40 x 33 cm

Stille Dynamik der Ambivalenz

Einer Frau quellen die Augen über und bieten eine Handreichung besonderer Art: Kleine Ärmchen stoßen aus den Augenhöhlen ins Freie, recken sich dem Betrachter des weiblichen Gesichts entgegen, fast als wollten sie ihn fassen, während sich die schmalen Lippen auf dem Antlitz der Frau zu einem leichten Lächeln spannen. „Refuge in Ambiguity“ (2013) nennt Nadine Rennert diese Arbeit, zu deren Doppeldeutigkeit eine weitere Büste gehört. Sie ist wie die erste aus handgeschöpftem koreanischem Papier gefertigt. Nur, dass bei ihr sorgfältig gestaltete Augen zu sehen sind. Dafür ist der Mund weit aufgesperrt und vollgestopft mit Gliedmaßen. Zwei Beine ragen aus ihm heraus. Jetzt sieht es so aus, als würde jemand verschlungen. Beinahe suggeriert die janusköpfige Anordnung der beiden Büsten, ein Mini-Mensch würde von der einen gefressen, um von der anderen wieder ins Leben entlassen zu werden.

MICHAEL HÜBL, KUENSTLER – Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, 2014

Übergang zu Bedeutungslosigkeit, 2012 Papiermache, Holz, Papier, Vogelnest, Tüte,
135 x 64 x 26 cm


Die Prinzessinnengruppe von Schadow, die sich in Berlin befindet, hat mich schon lange fasziniert. Für die Arbeit Übergang zu Bedeutungslosigkeit liefert sie mir die Idee: eine Figur stützt sich auf die Schulter einer anderen. Die anlehnungsbedürftige Prinzessin Luise kreuzt dabei im Original die Füße zu einem instabilen Stehen.

Für mich als Bildhauerin ist das Ausbalancieren meiner Figuren eine Voraussetzung der Arbeit, da ich ohne Sockel auskommen will. Die zweite, tragende Figur wegzunehmen ist die Fortsetzung dieses schönen Motivs, das Schadow wunderbar dargestellt hat.

Auch in meiner Skulptur sind die Füße verschränkt, die Standfestigkeit auf dem Boden verringert. Der umfassende Arm ist in die Höhe gebogen. Der Kopf ist so geneigt, als ob er der nicht existierenden Figur nachhorcht, dabei sind ein Auge und ein Ohr, die zur leeren Seite gewandt sind, vergrößert. Die Berührungsstellen am Körper, dort wo ein Anderer hätte sein können, sind offen und lassen ins Innere der Figur blicken. 

Im dunklen Hohlraum ist ein Vogelnest eingebettet. Um die Figur in der Balance zu halten, hält sie die Griffe einer Papiertüte in der Hand, in der zur Beschwerung Vogelsand ist.

Nachmittag, 2012-13
Papiermache, Holz, Nadeln, Spiegel,
64 x 89 x 190 cm


Nachmittag besteht aus einer auf dem Boden gebogenen Körperform. Ein Bein hebt sich kraftvoll vom Boden ab, das andere ist zum Rumpf hin angewinkelt. Der Hintern streckt sich nach oben. Der Bogen wird über den Rücken zum Boden zurückgeführt. Schulter, Kopf und anderer Arm liegen nah beieinander auf einer kreisförmigen Spiegelscheibe.

Auf dem Hintern. an den Beinen und dem Rücken auslaufend befinden sich gelbgrüne Streifen zwischen denen spitze Dornen angeordnet sind. Die Dornen geben der Figur eine pflanzliche Anmutung und betonen die Erstarrung in der sich die männliche Figur befindet. Der Spiegel ist Reflexionsfläche und Tiefe zugleich, der Kopf ruht nicht schwer auf dem Boden, sondern bekommt etwas Schwebendes, das durch den entspannten Gesichtsausdruck eine Entsprechung findet.

Erinnerung an Vollendung, 2011
Papiermache, Holz, Metall, Farbe, Hanftau, Hocker, Maße variabel


Die Figur einer voluminösen Frau sitzt auf einem Hocker. Sie hält ein dickes Tau, das aufgerollt durch ihre Hände, unter ihrem Körper hindurchläuft und am Hintern herauskommt. Der Kopf der Figur ist nach Hinten gedreht, der Blick in die gleiche Richtung rückwärts gerichtet. Das Frauengesicht trägt einen Bart. Über den Körper erstrecken sich vertiefte Augen-, Nasen- und Mundhöhlen, die sich durch weiße Bemalungen zu Totenköpfen oder Fratzen zusammenschliessen.

Für einen Vergleich mit dem desillusionierten, bis in den Barock nachwirkenden Realismus jener Epoche spricht, dass die Künstlerin in einzelnen Arbeiten das Motiv des Totenkopfs verwendet – am krassesten wohl in ihrer Plastik (oder ihrem plastischen Setting) „Erinnerung an Vollendung“ (2011), einer fülligen Frauenfigur, die auf einem hohen Schemel hockt und ein kräftiges Tau in Händen hält. Aufgerollt liegt es in einigem Abstand vor ihr auf dem Boden und zieht sich von dort zwischen ihre Beine, um hinten am Gesäß wieder sichtbar zu werden. Vage bleibt, ob die Sitzende das dicke Seil in ihren Körper einführt oder ob sie es wie eine wuchtige Nabelschnur aus ihm herauszieht. Unzweifelhaft aber geht es um Sein und Nichtsein. Das Tau ist abgeschnitten wie der Schicksalsfaden der Nornen in der nordischen Mythologie. Und: Die Gestalt der Frau ist vom Hinterkopf über die weichen, vollen Brüste bis zu den Schenkeln mit den kahlen Fratzen von Totenschädeln überzogen.

MICHAEL HÜBL, KUENSTLER – Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, 2014

Unknowing Waste, 2010-2011
Papiermache, Holz, Papier, Farbe, Kunstrosenstengel, Höhe: 210 cm


Eine Kinderfigur aus grauem Papiermache steht in ein transparentes Papierkleid gekleidet auf dem Boden. Die Arme und der Kopf sind halbiert und man kann Zeitungspapier im Innenraum sehen. Ein Arm ist mit geöffneter Hand leicht nach vorne gestreckt. Die Figur ist mit zwei Stängeln von Kunstblumen senkrecht und waagerecht zusammen gesteckt. Auf dem weiß abgesetzten Gesicht der Figur ist eine Totenkopfbemalung mit großen Zähnen.

Wir jagen das Wild das uns opfert, 2010
Papiermache, Holz, Papier, Farbe, präparierter Hase, 176 x 64 x 46 cm


Ein Mensch, in einem Augenblick, herausgehoben, schwebend, an die Wand gedrückt. Zu einem Zeitpunkt im Leben vorwärts und rückwärts blickend. Als Jägerin hält sie einen Hasen, als Gejagte trägt sie ein Geweih.

Divine Discontent, 2010
Ausstellungsansicht Galerie Caprice Horn, 2010,
Papiermache weiß, grau, Metall, Acrylglas, Papier, Farbe, 140 x 98 x 88 cm

Zwei Kinderfiguren aus grauem Papiermache stehen sich in Tanzhaltung gegenüber. Sie sind sich in ihren Körperhaltungen einander zugewandt. Beide strecken die Arme dem anderen entgegen, berühren sich jedoch nicht. Sie stehen jeweils nur auf einem Bein.

Auch die Gesichter sind sich zugewandt, nur die Augen sind stark nach außen gedreht , als ob jedes Kind am anderen vorbei in die Ferne sieht.